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Impuls zum 21. April 2024

Zum 4. Sonntag in der Osterzeit

Von Stefan Voges, Geistlicher Beirat von pax christi Aachen 

Österliches Sein

Die zweiten Lesungen sind in der diesjährigen Osterzeit dem ersten Johannesbrief entnommen. Dieser Brief ist eine der kleineren und meist unbekannten biblischen Schriften. Doch sein „Spitzensatz“ wiederum ist sehr bekannt: 

„Gott ist Liebe, …

… und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“  (1 Joh 4,16). 

Mehr ist zunächst nicht zu sagen. Dies ist zu hören, nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Herzen und der Seele. Denn liegt hierin nicht die stärkste Wurzel christlicher Friedensarbeit?

Gesang aus Taizé: Bóg jest Miłością (Gott ist Liebe): https://www.youtube.com/watch?v=LX5ssdcDHes 

Lesung aus dem 1. Johannesbrief

Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat:
Wir heißen Kinder Gottes
und wir sind es.
Deshalb erkennt die Welt uns nicht,
weil sie ihn nicht erkannt hat.
Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes.
Doch ist noch nicht offenbar geworden,
was wir sein werden.
Wir wissen,
dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird;
denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

(1 Joh 3,1–2) 

Kinder Gottes

In dem Abschnitt des Johannesbriefs, den die Leseordnung für den heutigen Sonntag vorsieht, nennt der Verfasser die Empfängerinnen und Empfänger des Briefs zum ersten Mal „Kinder Gottes“. Und er versteht dieses Bild recht realistisch, wenn er vom „Samen Gottes“ spricht, der in den Menschen bleibt, also vom Heiligen Geist, mit dem Menschen in der Taufe beschenkt werden, so dass sie als Kinder Gottes neu geboren werden. Die Anrede als Kinder Gottes bringt eine neue Existenz zum Ausdruck, ein neues Sein, dessen Qualität mit dem biblischen Wort der Sünde beschrieben wird: „… er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt“ (1 Joh 3,6). Nicht mehr sündigen, das heißt, sich nicht mehr von Gott entfernen, den Gott des Friedens erkennen und ihm treu bleiben. 

Kinder Gottes. Was für eine Aussage über unsere Identität! Mich hat diese Identitätsaussage an – pointiert formulierte – Gedanken des US-amerikanischen Priesters und Aktivisten John Dear erinnert: „Eine weitere Möglichkeit, Gewaltfreiheit aufzufassen, besteht darin, sie in Zusammenhang mit unserer Identität zu sehen. Gewaltfreiheit ausüben bedeutet, dass wir Anspruch auf unsere Grundidentität als geliebte Söhne und Töchter des Gottes des Friedens erheben und also als Friedensstifter in die Welt des Krieges gehen, um alle Menschen zu lieben. Wir tun das, weil wir wissen, wer wir sind, und wir handeln so, wie Gottes geliebte Söhne und Töchter nun einmal handeln. Eben das hat Jesus gelehrt: ‚Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden … Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne und Töchter Gottes werdet, denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.‘ Im Zusammenhang mit seiner Vision von Gewaltfreiheit – radikaler Friedensstiftung und Feindesliebe – sagt Jesus uns, wer wir bereits sind: die Söhne und Töchter Gottes. Er spricht über unsere wahre Identität, die uns bereits dazu antreibt, Menschen liebevoller Gewaltfreiheit zu sein.

Das Problem ist: Wir wissen nicht, wer wir sind. Wir machen uns die Tiefe unserer wahren Identität als Söhne und Töchter des Gottes des Friedens und der Liebe nicht klar. Wenn wir diese Identität im tiefsten Inneren unseres Wesens erkennen würden, wären wir gewaltfrei. Aber wir vergessen, wer wir sind, oder wir wollen nicht wissen, wer wir sind, oder wir leugnen sogar ausdrücklich, wer wir sind – und deshalb sind wir uns und anderen gegenüber gewalttätig. Die Aufgabe besteht nun darin, uns daran zu erinnern, wer wir sind, und aus diesem Grund gewaltfrei gegen uns und andere zu handeln.“ (John Dear, Gewaltfrei leben, Norderstedt 2019, S. 35f.) 

Kinder Gottes: Anrede, Zusage, Zumutung, Anspruch, Erinnerung … Was ist das Wort, Kind Gottes zu sein, für mich? Und wohin führt es mich? 

Geschwister

Die Lesungen aus dem ersten Johannesbrief, die wir in der diesjährigen Osterzeit hören, präsentieren uns schöne, mitunter poetische, nicht immer leicht zu verstehende Worte und Gedanken. Aber sie präsentieren uns nur die halbe Wahrheit des Briefs. Die handfesten Verse über die Bruder-, oder sagen wir lieber: Geschwisterliebe kommen in den ausgewählten Texten nicht vor. So schließt beispielsweise der Abschnitt über das Kind-Gottes-Sein mit einer biblisch-drastischen Gegenüberstellung, die dann aber das Abstrakte ins Konkrete wendet: „Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit nicht tut und seinen Bruder nicht liebt, ist nicht aus Gott“ (1 Joh 3,10). Noch deutlicher wird die Auslassung am nächsten Sonntag, wenn die Lesung mit dem 18. Vers des dritten Kapitels beginnt – und der durchaus deutliche 17. Vers wegfällt: „Wenn jemand die Güter dieser Welt hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Liebe Gottes in ihm bleiben?“ 

Kinder Gottes haben einen wachen Blick für ihre Schwestern und Brüder, die anderen Kinder Gottes. Schauen wir uns um, schauen wir auf unsere Begegnungen in der vergangenen Woche, nehmen wir uns Zeit, aufmerksam zu sein – damit die Liebe Gottes in uns bleibt. 

Gebet der Kinder Gottes

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen. 

Gesang aus Taizé: Surrexit Dominus vere: https://www.youtube.com/watch?v=YhJY2Yk3dp0